Berlin, Brandenburger Tor Rechtsanwältin Isabel Voß Berlin, Reichstag
Rechtsanwältin Isabel Voß

Rechtsanwältin
Isabel Voß, LL.M.
Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin
Tel.: 030 / 447 24 390
Fax.: 030 / 447 24 391
Email: info@isabelvoss.de


Pippi-Langstrumpf-Kostüm II

(BGH, Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 149/14)

Hey Pippi Langstrumpf...

1. Das Werben für ein Karnevalskostüm, welches einer literarischen Figur (hier: "Pippi-Langstrumpf") nachempfunden ist, ist weder aus urheberrechtlichen noch aus wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich unzulässig.

2. Ein bewusstes kommerzielles Ausnutzen einer fremden schöpferischen Leistung, deren Verwendung in der Regel nur aufgrund einer Lizenzgewährung gestattet wird, ist nicht an sich bereits unlauter.

3. Wird an ein Erzeugnis einer fremden schöpferischen Leistung angeknüpft, um dieses in einer anderen Produktart nachzubilden, sind an das Vorliegen einer Unlauterkeit höhere Anforderungen zu stellen.

4. Für die Begründung eines neuen Schutzrechtes für ein "character merchandising" über die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG besteht aufgrund der gegebenen Schutzmöglichkeiten keine Notwendigkeit.

(Leitsätze der Verfasserin)

Zum Urteil:

Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob die Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am künstlerischen Schaffen der verstorbenen Autorin Astrid Lindgren von einem Supermarkt für das Anbieten von Karnevalskostümen, welche sich an die Beschreibung der äußeren Gestalt der Romanfigur "Pippi Langstrumpf" anlehnen, Schadensersatz verlangen kann.

Ihren Anspruch, von dem Supermarkt Schadensersatz verlangen zu können, sah die Klägerin aufgrund ihrer Rechte an dem Roman von Astrid Lindgren, in welchem diese das äußere Erscheinungsbild der Romanfigur "Pippi Langstrumpf" detailliert beschrieben hat, als gegeben an.

Die Beschreibung der Figur in dem Roman lautet dabei wie folgt:

"Ihr Haar hatte dieselbe Farbe wie eine Möhre und war in zwei feste Zöpfe geflochten, die gerade vom Kopf abstanden. Ihre Nase hatte dieselbe Form wie eine ganz kleine Kartoffel und war völlig von Sommersprossen übersät. Unter der Nase saß ein wirklich riesig breiter Mund mit gesunden weißen Zähnen. Ihr Kleid war auch ziemlich merkwürdig. Pippi hatte es selbst genäht. Es war wunderschön gelb; aber weil der Stoff nicht gereicht hatte, war es zu kurz, und so guckte eine blaue Hose mit weißen Punkten darunter hervor. An ihren langen dünnen Beinen hatte sie ein Paar lange Strümpfe, einen geringelten und einen schwarzen. Und dann trug sie ein paar schwarze Schuhe, die genau doppelt so groß waren wie ihre Füße."

Die Beklagte warb für den Verkauf von Karnevalskostümen, welche der Figur der "Pippi Langstrumpf" nachempfunden waren, mit einer, der nachfolgenden Beschreibung entsprechenden bildlichen Darstellung: Die abgebildeten Personen trugen eine orange-farbene Perücke mit Pony und seitlich abstehenden, in einem Bogen nach oben verlaufenden, geflochtenen Zöpfen, ein rot-weiß gestreiftes langärmeliges Shirt, ein grünes Kleid mit einer aufgesetzten gelben Tasche, mit grün-weiß-schwarz geringelten Strümpfen und weißen flachen Schuhen bzw. schwarzen halbhohen Stiefeletten.

Hier fällt bereits auf, dass der Wiedererkennungseffekt vor allem durch die orange-farbene Perücke und weniger aufgrund des Kleides auftritt, wobei auch die Form der Zöpfe nicht 1 zu 1 der Beschreibung der literarischen Figur entspricht.

Auf den Werbebeschreibungen waren die Kostüme als "Püppi" bezeichnet.

Die Klägerin beruft sich auf urheberrechtliche Nutzungsrechte an der literarischen Figur. Die Beklagte lehne sich mit den Kostümen an die Romanfigur an, wodurch die urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Klägerin verletzt seien. Hilfsweise stützt sie ihren Anspruch auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach §§ 3,4 Nr. 9 UWG sowie auf Schadensersatz nach §§ 823, 826 BGB.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten 50.000 ¤ als Schadensersatz.

Die Beklagte wurde zunächst vom Landgericht aufgrund Urheberrechts zur Zahlung verurteilt. Die Berufung hiergegen blieb erfolglos und das landgerichtliche Urteil wurde bestätigt. Auf die Revision hin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage insoweit angewiesen, wie sie auf die Verletzung von Urheberrecht gestützt worden war und den Rechtsstreit im Übrigen ans OLG zurückverwiesen, wegen der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche. Das OLG hat dann die Klage auch im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche abgewiesen. Hiergegen ist die Klägerin mit der Revision vorgegangen.

Der OLG hatte sinngemäß Folgendes festgestellt:

Der BGH ist dem OLG im Ergebnis gefolgt.

Er führt ergänzend aus, dass Voraussetzung einer wettbewerbswidrigen Handlung im Sinne des § 4 Nr. 9 UWG das Vorliegen einer Nachahmung sei.

Eine Nachahmung sei jedoch dann nicht gegeben, wenn eine eigene Leistung angeboten werde und gerade nicht die Leistung des Dritten vermarktet werden solle.

Eine Nachahmung sei auch nicht bereits dann gegeben, wenn eine eigenständige Leistung lediglich an das Erzeugnis anknüpfe und dieses als Vorlage für eigene, andersartige Angebote ausgenutzt werde.

Vorliegend handele es sich nicht um eine Nachahmung, da die Beklagte die Figur "Pippi Langstrumpf" weder in einem literarischen Erzeugnis verwendet habe, noch werde von der Klägerin geltend gemacht, dass die Beklagte ein von ihr selbst oder einem Lizenzgeber hergestelltes und vertriebenes Kostüm nachgebildet habe und weil zwischen der Beschreibung in dem Roman und der Abbildung in der Werbung der Beklagten nur geringe Übereinstimmungen bestehen.

Bei der Übernahme in eine andere Produktart seien jedoch keine geringen Anforderungen zu stellen, um die im Interesse eines freien Wettbewerbs grundsätzlich bestehende Nachahmungsfreiheit nicht unangemessen einzuschränken.

Der BGH führt ferner aus, dass auch darüber hinaus keine wettbewerbswidrige Nachahmung vorliege, soweit die Klägerin behauptet, dass der Verkehr die von der Beklagten angebotenen Kostüme der Klägerin zuordnen würde, aufgrund der umfangreichen Marketing-Maßnahmen der Klägerin.

Die Klägerin begehre insoweit nicht Schutz für die literarische Figur, sondern für ihre wirtschaftlichen Aufwendungen. Sie hat jedoch nicht geltend gemacht, dass die Beklagte konkrete Merchandisingprodukte der Klägerin nachgeahmt habe.

Auch ein auf § 3 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 9 Satz 1 UWG unmittelbar gestützter Schadensersatzanspruch stehe der Klägerin nicht zu.

Das bewusste kommerzielle Ausnutzen einer fremden schöpferischen Leistung, deren Verwendung in der Regel nur aufgrund einer Lizenzgewährung gestattet werde, sei nicht an sich bereits unlauter.

"Die Begründung eines neuen Schutzrechts für Romanfiguren, um eine wirtschaftliche Verwertbarkeit solcher Figuren außerhalb des urheberrechtlich geschützten Kontextes möglich zu machen, komme aufgrund der eindeutigen Gesetzessystematik nicht in Betracht." (...)

Aufgrund der bereits bestehenden Schutzmöglichkeiten der konkreten Erzeugnisse über das Urheberrecht, Designrecht, Markenrecht und Wettbewerbsrecht, erscheine dies auch nicht geboten.

"Das grundgesetzlich geschützte Recht der Klägerin auf wirtschaftliche Verwertung der Figur "Pippi Langstrumpf" begründet keinen Schutz für jede wirtschaftliche Nutzung, die auf diese Figur Bezug nimmt."

Der BGH sah auch keine Verwechslungsgefahr aufgrund der Bezeichnung der Kostüme als "Püppi" als gegeben an, so dass der Verkehr von wirtschaftlichen oder vertraglichen Verbindungen zwischen den Parteien ausgehe.

Im vorliegenden Fall werde der Verkehr vielmehr erkennen, dass durch die Verwendung der Bezeichnung "Püppi" die Originalbezeichnung umgangen werden solle und daher gerade keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien bestehen würden.

Damit ist die Beklagte nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

(Zusammengefasst von Rechtsanwältin Isabel Voß)

Link zur Original-Entscheidung